Panik
stieg in mir auf, angesichts des Unvermeidlichen. Dieser Körper
war zum Sterben verdammt und ich mit ihm, sofern ich mich nicht schnell
in Sicherheit begab.
Ich
spürte den Schmerz, die Schwäche, das Bedürfnis des
weidwunden Tieres, sich hier und jetzt niederzulegen; nur einen Moment
zu ruhen, die Augen zu schließen und zu warten, bis es endlich zu
Ende war.
Doch
ich trieb das Wesen, das mir so viele Jahre lang treu gedient hatte,
weiter, immer weiter. Es fiel, aber ich befahl ihm, den
altersschwachen, verletzten Körper erneut auf die drei Beine zu
hieven – das Vierte hing nutzlos an einigen wenigen Sehnen herab
und hinterließ eine bräunlich-rote Tropfspur auf der
zerklüfteten Karstlandschaft – und sich mühevoll
Schritt für Schritt über das unwegsame Gelände zu
quälen.
Es
wusste nicht, warum. Wie denn auch? Sein Verstand reichte gerade einmal
zum Überleben aus. Umso erstaunlicher war es, dass ihm eines
durchaus bewusst war: Der ausgezehrte, vom Alter gezeichnete
Körper würde sich von diesem Schlag nicht mehr erholen. Weder
Bedauern noch Zorn flammten in dem tierischen Geist auf. Es war
sinnlos, jetzt noch aufzubegehren. Wenn das das Ende war, dann sollte
es so sein.
Schlimm
war nicht der Schmerz und auch nicht das Leiden, denn der Verstand war
schon halb umnebelt, sondern die Mühsal, der Zwang, immer weiter
laufen zu müssen.
Ich
drängte das arme Tier, das wohl nie begriffen hatte, dass es nur
das Gefäß für eine zweite Existenz gewesen war,
unbarmherzig vorwärts. Vor meinem geistigen Auge entstand das Bild
der Höhle, die nicht mehr weit über uns lag. Feucht und
dunkel war diese und damit die ideale Überdauerungsstätte,
wenn ich meine schützende Hülle verlassen musste.
Weiter,
nur weiter! Die bemitleidenswerte Kreatur kroch streckenweise nur noch
auf den Vorderbeinen dahin. Die Verletzung am Hinterlauf riss am
scharfkantigen Gestein weiter auf und füllte sich mit Schmutz. Nur
noch über eine Hügelkuppe, nur noch eine!
Da
lag er, der Eingang zur Höhle. Das Tier rutschte mehr als es ging
den Abhang hinunter. Es blieb eine Weile winselnd liegen, ehe ich den
Kopf hoch zwang. Die trüb gewordenen Augen wandten sich ein
letztes Mal dem Horizont zu.
Hinter
dem Berggipfel schimmerte der Himmel in den verschiedensten
Rottönen. Es war der letzte Gruß der untergehenden Sonne.
Doch schon morgen konnte sie sich mit neuer Kraft erheben, während
das Leben des Tieres bis dahin endgültig ausgehaucht sein
würde. Längst war der letzte Funke bewussten Denkens
erloschen, doch verzweifelte Zuckungen zwangen es unaufhaltsam die
letzten Meter in die Höhle.
Es
war eine wahrhaftig bedauernswerte Kreatur. Übel zugerichtet, sah
das einst so stolze Raubtier aus. Die blitzenden, gelben Augen waren
verkrustet, das ehemals glänzende Fell von Räude zerfressen
und mit Parasiten übersät.
Gierig
hatten diese sich auf den geschwächten Körper gestürzt -
während ich ihn in Besitz genommen hatte, als er noch in voller
Blüte gestanden hatte.
[…]
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